Seit 60 Jahren beeinflusst diese Migrationsgeschichte die bilateralen Beziehungen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene ebenso wie die Innenpolitik beider Länder. Das Jubiläum ist ein Grund zu feiern, aber auch Anlass dafür, sich mit den Fehlern der Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzusetzen, hinter die Schlagzeilen und Stereotype der aktuellen Diskurse zu blicken und bislang wenig betrachtete Perspektiven einzunehmen – und damit auch ein Anlass, um neu ins Gespräch zu kommen.
Das bilaterale Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei, das am 30. Oktober 1961 abgeschlossen wurde, schien für beide Seiten die Lösung ihrer Probleme: Deutschland bekam billige Arbeitskräfte, deren Eignung für körperlich harte Arbeit mittels einer entwürdigenden Gesundheitsprüfung in der Türkei „aus seuchenhygienischen Gründen“ bestätigt wurde, und die Türkei bekam Devisen, um die Auslandsschulden zurückzuzahlen. Für Menschen, die als „Gastarbeiter*innen“ nach Deutschland kamen, bedeutete das Abkommen in erster Linie, ihre Familie daheim versorgen zu können. Die „Gastarbeiter*innen“ sollten das Industrieland Deutschland mit aufbauen und dann zurückkehren. Weiter wurde nicht gedacht oder wollte niemand sehen.
Der heutige enge Austausch zwischen beiden Gesellschaften verdankt seine Intensität den ersten Generationen, den „Gastarbeiter*innen“ und deren Familien. Sie haben nicht nur den Industriestaat Deutschland mitaufgebaut, sondern auch die Einwanderungsgesellschaft Deutschland und die Kultur, Literatur, Musik, Wissenschaft, den Sport, den Handel in diesem Land. Alleingelassen von beiden Staaten, die kaum über ihre unmittelbaren wirtschaftlichen Interessen hinausschauen konnten, haben sie sich selbst organisiert, ihre Perspektiven, Lebensvorstellungen, Farben, Lieder und Geschichten nach Deutschland gebracht und Perspektiven und Geschichten von Deutschland in die Türkei, und dadurch einen großen, wenn nicht sogar den größten Beitrag zu einem engen und langfristigen Austausch zwischen beiden Gesellschaften und Ländern geleistet, der weit über die bereits vor den 60er Jahren zwischen Deutschland und der Türkei bestehenden wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen hinaus ging und geht. Trotz der Fehler der Politik beider Länder, trotz Erniedrigung, Unmut, Gewalt jeglicher Art in Fabriken und in Wohnvierteln, auf Behörden, Hinterhöfen und Schulhöfen hat es auch viele Erfolgsgeschichten gegeben; Geschichten des Zusammenwachsens, der Solidarität und Bereicherung individueller Lebensläufe, Politik und Gesellschaften sowohl in der Türkei als auch in Deutschland.
Einige dieser Erfolgsgeschichten und Persönlichkeiten möchten wir Ihnen heute vorstellen.
Ich möchte diese Gelegenheit nutzen und mich bei den Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern für Ihre Lebensleistung bedanken und ihnen meinen Respekt und Anerkennung aussprechen.Vielen Dank.
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